Schon jetzt hat die Coronakrise unsere Art zu arbeiten verändert. Fast 50% der Erwerbstätigen arbeiten im Homeoffice (Stand April 2020). Kurzarbeit oder ständiges „Feuerlöschen“ prägten die letzten Wochen und Monate. Bei unseren Kunden, wie auch bei uns selbst, war und ist die psychische Belastung hoch. Schrittweise kehrt jetzt wieder eine „neue Normalität“ ein. Doch warum fühlt sie sich noch so bedrückend an?

In unseren Reflexions-Workshops der letzten Wochen sind uns 8 Ursachen aufgefallen, die zu dieser Unbehaglichkeit führen. Nun möchte ich diese kurz vorstellen und Dir gleichzeitig greifbare Tipps an die Hand geben, wie Du ihnen entgegenwirken kannst.

1. Fehlende soziale Kontakte

Gezwungenermaßen wurde alles auf Telearbeit umgestellt. Homeoffice mit Online-Tools und virtuellem Co-Working bringt neben den Vorteilen auch eine dramatische Reduktion der sozialen Interaktionen mit sich. Der Wegfall vom Austausch beim Mittagessen, persönlichen Gesprächen am Flur oder gemeinsamen Lachen führt dazu, dass im Gehirn weniger Oxytocin ausgeschüttet wird. Dadurch wird unsere Empathie-Fähigkeit geschwächt und wir tun uns schwerer, unseren Mitmenschen zu vertrauen. Kurzum: Wir verlieren Sozialkompetenzen. Diese Entwicklung führt zwar nicht direkt dazu, dass wir uns schlecht fühlen, vielmehr verstärkt es andere Ursachen der Unzufriedenheit.

Wer denkt, dass sich dieses Problem nach Corona wieder in Luft auflöst, der täuscht sich. Eine Umfrage von karriere.at hat ergeben, dass 72% der Arbeitnehmer weiterhin teilweise und 21% dauerhaft im Homeoffice arbeiten wollen. Noch interessanter: Auch auf Seiten der Arbeitgeber ist der Großteil einem wahlweisen Einsatz von Telearbeit positiv gegenüber gestimmt. 73% wollen Homeoffice teilweise und 16% als Dauerlösung umsetzen. Die sozialen Kontakte im Büro werden abnehmen und dafür braucht es Lösungen, damit diese kompensiert werden können.

2. Reduktion der Kommunikation

Im Homeoffice ist der Kommunikationsfluss eingeschränkt. Die körpersprachliche Information fehlt beim Kommunizieren. News, die im Büro zwischen Tür und Angel weitergeleitet wurden, finden nicht immer den Weg zu allen Mitarbeitern. Arbeitsschritte werden gar nicht oder doppelt erledigt. In Summe fühlen sich Mitarbeiter weniger informiert und eingebunden, was zum Verlust vom WIR-Gefühl, der Motivation und Zufriedenheit führt.

Mehrere (kurze) Web-Meetings, Videobotschaften der Führungskräfte und möglichst viele reale Begegnungen helfen dabei, die Kommunikation hoch zu halten. Entwickle deine individuellen Routinen zur Informationsaufbereitung und -weitergabe. In diesem Video erklärt dir unser Teamtrainer Leonhard Höck, wie Du Online Meetings anregend und damit effektiv gestalten kannst.

3. Psychischer Stress

Die Infektionszahlen und die konjunkturelle Entwicklung sind omnipräsent und sorgen für einen chronischen Stress- bzw. Alarmzustand. Mit jedem sorgenbehafteten Gedanken schütten wir das Stresshormon Cortisol aus. Kurzfristig gesehen, ist die Ausschüttung von Cortisol durchaus hilfreich und ist eine Art Schutzfunktion des Körpers. Es führt dazu, dass wir schnell und mit erhöhtem Energieeinsatz handeln können – leider sind die Handlungen jedoch nicht gut durchdacht. Es kommt entweder zu Flucht- oder Angriffsverhalten (Rückzugs- bzw. Schnellschussaktionen). Gerade in der Krise braucht es hingegen Objektivität, Transparenz, Kooperation und ein hohes Maß an Kommunikation.

Angst und Stressempfinden sind sehr subjektiv. Empathie und Kommunikation sind erforderlich, um dem Alarmzustand entgegen zu wirken. Unserer Erfahrung nach, sind aktuell folgende Auslöser sehr präsent:

  1. Existenzängste durch Unsicherheit

Hierbei muss die Geschäftsführung Sicherheit ausstrahlen und den Mitarbeitern das Gefühl geben, dass ihre Existenz nicht gefährdet ist. Dazu können Umsatzplanungen, Fortbestehensprognosen oder Finanzierungszusagen transparent gemacht werden. Wichtig dabei ist, dass wirtschaftliche Daten und deren Zusammenhänge auch hinreichend gut erklärt werden. Ein unverständliches Excel-Sheet mit nichtssagenden Zahlen schürt unterdessen noch mehr Unsicherheit. Wenn Stellen oder Stunden gekürzt werden müssen, empfehlen wir, das Team in diese Entscheidungen – mit der fortwährenden Botschaft „Wir schaffen das!“ mit einzubinden. Diese Strategie schweißt die Mitarbeiter noch enger zusammen und teilt die gefühlte Last auf die Gruppe auf.

  1. Stress durch hohe Arbeitsbelastung

In vielen Unternehmen war die Arbeitsbelastung während der Krise ungleich verteilt. Beides führt zu einer massiven Stressbelastung – Boreouts sind ebenso gefährlich, wie Burnouts. Auf das Gefühl „nicht gebraucht zu werden“ werde ich weiter unten noch näher eingehen. Neben dem Versuch, das Arbeitspensum besser aufzuteilen, sollten die Mitarbeiter ein Gefühl von „ich mache das, weil ich das aus freien Stücken dafür entschieden habe und ich mache es FÜR das Team“ entwickeln. Durch diese Einstellung entsteht positiver Stress, welcher zwar auf Dauer ebenso ungesund ist, jedoch kommt unser Organismus kurzfristig sehr gut damit klar. Negativer Stress beschädigt unser Nervensystem und führt langfristig unweigerlich zum Burnout. Zudem führt das Stresshormon Cortisol beim negativen Stress zu Flucht- oder Angriffsverhalten und Mitarbeiter werden sich entweder zurückziehen oder die Schuld bei anderen Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten oder der Familie suchen. Ob positiver oder negativer Stress – in beiden fällen schütten wir Adrenalin aus, was überhastete und spontane Reaktionen hervorruft. Um diese stressbedingten Effekte vorzubeugen, empfehlen wir regelmäßige Team-Meetings, bei denen die Mitarbeiter über ihr aktuelles Wohlbefinden und Arbeitspensum sprechen und gegenseitige Wertschätzung und Anteilnahme kundgetan werden.

  1. Angst vor Covid-19

Um in Zeiten der Pandemie ein Sicherheitsgefühl entwickeln zu können, müssen sich Führungskräfte mit den Ängsten und Bedürfnissen der Mitarbeiter auseinandersetzen. Zu einem sicheren Arbeitsumfeld gehört nämlich nicht bloß die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen, sondern auch der Aspekt der emotionalen Sicherheit. Einigen Mitarbeitern fällt es möglicherweise nach der wochenlangen Telearbeit schwer, sich wieder auf den Arbeitsalltag im Büro und mit Kollegen einzulassen. Kommunikation, Empathie & Transparenz, das sind die Zauberworte in dieser Situation. Ein Auftaktmeeting ist daher sehr empfehlenswert, bei dem die individuellen Ansichten geteilt und ein gemeinsames Regelwerk erstellt wird.

Um die persönliche Einstellung zum Risiko des Gegenübers schnell erkennen zu können, kann zum Beispiel ein Ampelsystem in Form von farbigen Armbändern entwickelt werden:

  1. Rotes Armband: Bitte 2-Meter-Abstand, Mund-Nasen-Schutzmasken und keine Meetings mit mehr als 2 Personen
  2. Oranges Armband: Keine Berührungen und Meetings nur Outdoor
  3. Grünes Armband: „Corona-Gruß“ anstatt Händeschütteln – ansonsten keine Einschränkungen

4. Eisberge werden sichtbar

Krisen sind bekanntlich Katalysatoren. Doch warum? Eine Krise (= Phase, in der die aktuellen Ergebnisse nicht mit unseren Erwartungen übereinstimmen) ist – sinnbildlich gesprochen – ein umfassender Test am Prüfstand. Hier werden auf einmal Schwachstellen sichtbar, die unter Normalbetrieb verborgen geblieben wären. Und weil in der Krise alle „vom schwächsten Glied der Kette“ unmittelbar betroffen sind, werden Veränderungen von allen mitgetragen und rasch umgesetzt.

Eisberg wird bei Krise sichtbar

Das klingt in der Theorie sehr romantisch, doch können sichtbar gewordene Eisberge zu einer enormen Frustration führen. Flaut die Krise ab, ohne, dass der Eisberg abgetragen wird, sinkt zwar die Belastung, doch verpasst die Gruppe auch ein Potential zur Weiterentwicklung. Wir empfehlen daher, die nötigen Veränderungsprozesse während oder unmittelbar nach der Krise anzustoßen und unbedingt abzuschließen, bevor sie wieder in der Normalität untergehen.

Mit dem kostenlosen Tool „teamazing Insights“ kannst du Teampotentiale sichtbar und messbar machen.

Die nächsten vier Punkte sind komplementäre Ursachen:

5. Fehlendes Vertrauen der Führungskräfte

Im Remote Leadership ist eine starke Vertrauensbasis essentiell für den Erfolg. Haben Führungskräfte ein ausgedehntes Bedürfnis nach Kontrolle, sind Konflikte vorprogrammiert. Leider ist das der häufigste Grund, warum Telearbeit in Teams nicht gut funktioniert.

Abhilfe schaffen Führungskräftetrainings & Coachings. Sich selbst – in erster Linie – als Mensch wahrzunehmen, der verletzlich ist, Fehler macht, verzeihen kann und das Beste in anderen sieht, führt dazu, dass Vertrauen aufgebaut werden kann.

6. Verlust des Zugehörigkeitsgefühls ➡ Ego vor Team

Die bisher angeführten Ursachen führen zum Verlust des WIR-Gefühls – eines der zentralen Eckpfeiler von High-Performance-Teams. Wenn persönliche Ziele und das eigene Ego wichtiger als das Wohlbefinden der Gruppe werden, erschwert das nicht nur das Auflösen anderer Problemfelder, sondern sorgt auch für Unzufriedenheit beim betrachteten Mitarbeiter. Menschen brauchen das Gefühl „dazu zu gehören“, um ein soziales Sicherheitsgefühl entwickelt zu können.

Die einzelnen Mitarbeiter sind hier ebenso in der Verpflichtung, wie Führungskräfte: Teammitglieder, die sich entfernen, sollten unbedingt darauf angesprochen werden. Bei diesem Gespräch stehen Wertschätzung, sowie das Erinnern an gemeinsame Ziele und vergangene Erfolge im Vordergrund. Ebenso erfolgreich können Teamevents (z.B. eine virtuelle Weihnachtsfeier) und Incentive-Veranstaltungen sein. Sie fördern das WIR-Gefühl und schaffen starke positive Erinnerungsanker.

7. Das Gefühl, nicht gebraucht zu werden

Überflüssig? Das Gefühl „nicht gebraucht zu werden“ ist grausam. Besonders heimtückisch ist diese Ursache, weil es sehr lange unbemerkt bleibt. In der Regel sind Mitarbeiter, die überlastet sind, lauter als umgekehrt. Der Effekt auf die Zufriedenheit ist jedoch nahezu derselbe – besonders dann, wenn sich Mitarbeiter über mehrere Wochen oder Monate überflüssig vorkommen.

Eine offene Kommunikationskultur hilft dabei, dass sich Mitarbeiter mit einem solchen Gefühl schneller melden. Anschließend können gemeinsam Maßnahmen erarbeitet werden, um der Arbeitszeit wieder mehr „Sinn“ zu geben.

8. Verlust von Perspektiven und Innovationsprojekte

In vielen Unternehmen hat die wirtschaftliche Situation dazu geführt, dass größere Vorhaben und Innovationsprojekte auf Eis gelegt wurden. Mitarbeiter, die ihren „Sinn der Arbeit“ aus diesen Projekten ziehen, fühlen sich jetzt fallen gelassen oder haben keine persönliche Entwicklungsperspektive mehr. Zwar ist das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung (nach Maslow) erst relevant, wenn alle anderen erfüllt sind, doch beeinträchtigt der Wegfall die Motivation und Zufriedenheit der betroffenen Mitarbeiter sehr stark.

Als Führungskraft ist es daher besonders wichtig, diese Perspektiven – am Rand des Horizontes – wieder sichtbar und greifbar zu machen. Persönliche Face-to-Face-Meetings mit einer gemeinsamen Zielerarbeitung helfen dem Mitarbeiter, dass er wieder eine Perspektive für sich erkennen kann.

Resümee

Um das größtmögliche Potential der aktuellen Situation zu nutzen, darf das unangenehme Gefühl der wiedergewonnenen Normalität nicht ignoriert werden. Die Gegebenheiten und die aktuelle Unzufriedenheit sind jetzt ideal, um das Zugehörigkeitsgefühl und die Kommunikationskultur nachhaltig zu verändern. Dadurch steigt neben der Mitarbeitermotivation auch die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) der Belegschaft für die nächste Krise. Und die ist nichts anderes als eine Phase, in der die aktuellen Ergebnisse nicht mit unseren Erwartungen übereinstimmen. In diesem Sinne wäre es doch schöner, wenn es öfters „Krisen“ gibt.

Unser Trainerteam und ich freuen uns auf weiterführende Fragen oder Feedback. Gerne helfen wir bei der Aufarbeitung, was in den letzten Monaten gut und was beim nächsten Mal besser laufen sollte. Die aktuelle Situation ist eine große Chance – es wäre schade, wenn sie ungenutzt bleibt oder unzufriedene Mitarbeiter das Schiff nach dem Sturm verlassen. Bedanken möchten wir uns, dass Du mit dem Lesen dieses Artikels deine Zeit in die Weiterentwicklung deines Teams investiert hast.

Remote Leadership mit Paul Stanzenberger