Wenn die Arbeit zur täglichen Last wird: Der Kollege, der beim Vorbeigehen immer zufällig über den Hintern streift, die Chefin, der die anzüglichen Witze nie ausgehen oder der Lieferant, der sich ein Extra für seine Dienste wünscht. Wie geht man mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz um?

Sexuelle Belästigung verletzt die Menschenwürde. Sie ist ein ernstzunehmendes Problem, dem wir uns trotz vieler Verbesserungen in Sachen Gleichberechtigung in den letzten Jahren immer noch aussetzen müssen. Dabei geht sie oft mit Machtverhältnissen einher und betrifft überwiegend Frauen, aber nicht nur. Gesetzliche Sanktionen können eingreifen, allerdings geschieht dies meist erst wenn ein/e Betroffene/r bereits den Arbeitsplatz verlassen oder verloren hat. In diesem Artikel behandeln wir einige Fragen, die im Umgang mit Sexueller Belästigung am Arbeitsplatz auftauchen: Wann wird von Belästigung gesprochen? Wie kann man Belästigung vermeiden? Wo findet man Hilfe?

Sexuelle Belästigung: Definition

Unter den Begriff Sexueller Belästigung fallen all jenes Verhalten und jene Handlungen, welche die Würde eines Menschen beeinträchtigen oder als unangenehm oder anstößig empfunden werden, so das Gleichbehandlungsgesetz. Damit liegt sexuelle Belästigung immer dann vor, wenn die Betroffenen ein Verhalten als solches erachten. Ein freundschaftlich gemeinter Klaps auf den Hintern ist dementsprechend genauso Belästigung wie eine anzügliche Bemerkung.
Unterschieden werden sollte zwischen einzelnen Flirtversuchen, welche für keine Partei Nachteile bringen und dem vermehrten Vorkommen von Vorfällen, wie von Kollegen, die kein Nein akzeptieren. Das Gesetz greift bereits hier ein und nicht erst bei massiven Übergriffe bis hin zu Vergewaltigungen. Daher: Die Ausrede “es ist ja nichts passiert” oder “er/sie hat ja nichts gemacht” sind weder vertrauensbildend noch Argumente gegen einen Vollzug.
Einige Handlungen und Verhalten am Arbeitsplatz, die als sexuelle Belästigung zu verstehen sind:

  • Pornografische Fotos am Arbeitsplatz
  • Auffälliges, vermehrtes Anstarren
  • Anzügliche Witze und Hinterherpfeifen
  • Anzügliche Bemerkungen über das private Sexualverhalten und die Körperform
  • Direkte sexuelle Aufforderungen und Bemerkungen, sowohl verbal als auch via Anruf, Brief, Notizen, Emails und SMS
  • Versprechen von Vorteilen und Karrieresprüngen entgegen sexueller Handlungen sowie Androhung von Benachteiligung bei Verweigerung
  • Unerwünschte Berührungen
  • Exhibitionistische Handlungen, wie das Senden/Zeigen von Nacktfotos

Eine anonyme Frau berichtet über ihre Erfahrungen:

„Kurzerhand wurde mir einfach mein Bikinioberteil nach vorne gezogen und er schaute auf meine blanke Brust.“

Die Mitarbeiterin war in einem Hotelbetrieb beschäftigt und erzählt in einem Artikel auf Gofeminin über ihren Leidensweg. Sie hatte im August 2014 ihr Berufspraktikum begonnen — das komische Bauchgefühl begann bei einem persönlichen Gesprächen zu privaten Problemen. Um den Kopf frei zu bekommen, lud ihr direkter Vorgesetzter sie danach zum Schwimmen ein. Gefolgt von einer Bitte nach Bikinifotos und weiteren Vieraugengesprächen, die lediglich die Beziehung der beiden betraf.

Der Höhepunkt an sexueller Belästigung passierte im Juni, als die Betroffene dem Drängen ihres Chefs nachgab und zum Schwimmen zusagte. „Ich hatte mir am Vortag einen Sonnenbrand zugezogen. Kurzerhand, wurde mir einfach mein Bikinioberteil nach vorne gezogen und er schaute auf meine blanke Brust.“

Ein positives Ende nahm das Praktikum erst, nachdem die Betroffene ihrem Vater und dem Arbeitgeber von den Vorfällen erzählte und der Chef entlassen wurde.

4 Tipps, wie du sexuelle Belästigung vorbeugen kannst

Vorausgesagt sei, dass sexuelle Belästigung niemals Schuld des Betroffenen ist. Selbst wer zur Arbeit den gesellschaftlich als größten Provokateur auserkorenen Minirock trägt, plakatiert deshalb nicht das Recht, belästigt zu werden. Diese Klarstellung ist wahnsinnig wichtig zu betonen: Niemand verdient es, anzüglich angesprochen und versexualisiert zu werden und niemand ist Schuld an seinem oder ihrem Schicksal.
Was allerdings oft getan werden kann, um etwa eine Kündigung zu vermeiden oder Herrschaft über die Situation zu behalten, ist sich im Arbeitsverhältnis früh zu wehren.

1. Mach deinen Standpunkt klar

Es gibt Chefs, die zeigen schon beim Bewerbungsgespräch mit Blicken oder dezenten als Scherz verpackten Anspielungen, wie das Arbeitsverhältnis laufen wird. Besser man ignoriert diese Anzeichen nicht aus Höflichkeit, sondern spricht sie direkt an. Wenn du das Gefühl hast, den Job nicht bekommen zu können, falls du dich äußerst, solltest du dir überlegen: Willst du denn für jemanden arbeiten, der dich als Objekt sieht? Besser man lässt eine Chance fallen, als später in einem Job gefangen zu sein, der einem tagtäglich Unbehagen bereitet.

2. Wehr dich sofort

Ermahne KollegInnen direkt, wenn sie sich in einer Art äußern, die dir unangenehm ist. Oft ist den Tätern gar nicht bewusst, wie ihre Worte auf dich wirken. Sollten sich Vorfälle dennoch wiederholen, geh direkt auf Konfrontation, erzähle anderen KollegInnen davon und melde das Verhalten beim Abteilungsleiter oder einer zuständigen Person.

3. Lass dich nicht beschuldigen

Wenn es hinterher heißt, du wärst selbst Schuld an dem dir entgegengebrachten Verhalten, du hättest mitgespielt oder den Anschein erweckt, alles wäre in Ordnung – lass die Schuld nicht bei dir liegen. Auch wenn Anspielungen ohne bösen Willen an den Tag gebracht werden oder tatsächlich nur als Kompliment gemeint waren: DU entscheidest, was du als angebracht empfindest und was nicht.

4. Schreib es nieder!

Ein Tagebuch über das Geschehene hilft euch nicht nur mit dem Erlebten besser umgehen zu können, sondern dient auch im Streitfall als nützliche Unterstützung.

Wie kann der Arbeitgeber vorbeugen?

Immer wieder wird der Arbeitgeber für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verantwortlich gemacht. Ob berechtigt oder nicht: Die Arbeitgebermarke nimmt Schaden und der Arbeitgeber wirkt weniger attraktiv für neue Mitarbeiter. Festzuhalten ist, dass im Rahmen der Fürsorgepflicht der Arbeitgeber dafür zu sorgen hat, dass das Leben, die Gesundheit, die Sittlichkeit und die Persönlichkeitsrechte geschützt werden. Dies ist jedoch nicht immer möglich und schwarze Schafe gibt es leider überall. Die wichtigste Pflicht ist unserer Meinung nach, dass der Arbeitgeber Präventivmaßnahmen setzt, aktiv befragt und bei Delikten sofort handelt. Eine mögliche Präventivmaßnahme könnte zum Beispiel die Aufnahme des Themas in die Zusammenarbeitsregeln sein, welche direkt beim Onboarding-Prozess durchgegangen werden.

Wo bekommt man Hilfe?

Wenn du am Arbeitsfeld belästigt wirst, kannst du dich an entsprechende Einrichtungen wenden. In vielen größeren Betrieben gibt es z.B. Frauenbeauftragte oder MediatorInnen, die sich um solche Fälle kümmern. Darüberhinaus kann man sich an die Arbeiterkammer oder die Gewerkschaften wenden, oder zur Gleichbehandlungsanwaltschaft gehen.

VIDEO: So reagiert man auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz