Claudia Winkler ist eine Karrierefrau, die mehr sein wollte als das: Als ehemaliges Vorstandsmitglied eines Telekommunikationskonzerns hat sie vor einigen Jahren die Idee des Social Entrepreneurship kennen und lieben gelernt. Mit ihrem sozialen Start-Up goood zeigt sie, dass Wirtschaft auch anders geht. Ein Gespräch über Sinnhaftigkeit im Job und den Wert sozialer Innovationen.

Claudia: Wo kommst du her, was ist dein Background?

Mein Hintergrund ist klassisch „corporate“. Ich habe die letzten 15 Jahre in internationalen Großkonzern verbracht und jung Karriere gemacht, was gerade als Frau gar nicht mal so einfach war. Mit Mitte 30 war ich internationaler Marketing Vorstand eines internationalen Telekommunikationskonzerns, der in 8 Ländern aktiv ist; ich führte ein riesiges Team mit riesiger Verantwortung. Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass mir was fehlt: Der Sinn, der Wert für die Gesellschaft. Ich habe gemacht, was ich gerne machte und wurde dafür gut bezahlt — aber was war der Mehrwert? Zu Beginn meiner Karriere war die Vision die, jedem Zugang zu Kommunikation zu ermöglichen. Aber heute, wo das Smartphone integriert ist, geht es mehr um Optimierung als um Aufbau. Das war mir zu wenig.

Claudia Winkler im Interview

Claudia Winkler im Interview

Schluss und vorbei

Ohne wirklich zu wissen, was ich genau tun wollte, bin ich raus. Um herauszufinden, wie ich einen Beitrag leisten konnte, habe ich begonnen, Soziale Innovation zu studieren. Das Thema hatte mir immer Spaß gemacht, ich wollte aber meinen eigenen Weg darin entdecken.

Diese Erfahrung war sehr spannend für mich. Ich traf auf Menschen mit ganz anderem Background, der mir die Augen öffnete: Was alles passieren konnte, wenn Leute, die sonst nicht zusammenfinden, gemeinsam am Tisch sitzen. In diesem Netzwerk ist dann die Idee für goood mobile entstanden: Ein purposeful, nachhaltiger Mobilfunker. Unser Ziel war es, zu zeigen, dass herkömmliche Geschäftsmodelle zum Positiven für unsere Gesellschaft genutzt werden können.

Die Idee von goood mobile entsteht

Unser nachhaltiger Mobilfunker sollte erst in Deutschland und Österreich entstehen. Wir wählten dieses Projekt, weil wir es konnten, es war naheliegend. Wir hatten 20 Jahre lang in diesem Bereich gearbeitet und kannten ihn in- und auswendig. Wir bildeten eine Kollaboration zwischen Non-Profit- und Mobilfunkexperten.

Unser Ziel ist es, dass 10% des Handytarifs an ein sozial oder ökologisch nachhaltiges Projekt gehen. Bei uns können Kunden und Kundinnen selbst und mittlerweile aus über 250 Projekten wählen, die sie unterstützen möchten: Klimaschutz, Tierschutz, Hunger, alles. Diese 10% Spende ist durch eine smarte Umgestaltung des Mobilfunkgeschäftsmodells möglich. Einerseits leben wir von Weiterempfehlungen und haben daher geringere Werbeausgaben, andererseits verzichten wir auf einen Teil der Profite, die in unserem Geschäftsmodell möglich wären. So wird eine einfache Simkarte sinnvoll und damit zu einem Werkzeug, etwas zur Gesellschaft beizutragen.

Das Team von goood mobile

Das Team von goood mobile

Soziales Business als Zukunftsperspektive

Wir wollten goood als komplett anderes Unternehmen aufsetzen, als purpose driven. Der Kern dabei war und ist die soziale Wirkung. Wirtschaftlich ist uns wichtig, dass wir profitabel sind und genug Geld verdienen, um uns selbst zu finanzieren — nur so garantieren wir auf Dauer Nachhaltigkeit. Eine Aktivität ist erst dann wirklich nachhaltig, wenn man alle drei Seiten miteinbezieht: Die Soziale, ökologische und finanzielle Nachhaltigkeit. Der Dreiklang ist wichtig.

goood gibt es nun schon rund zwei Jahre lang. Bereits in dieser Zeit konnten wir sehen, dass Nachhaltigkeit auch beim Konsumenten immer wichtiger wird. In Deutschland gaben bei einer Studie 38% der Befragten an, dass Nachhaltigkeit eine wichtige Kaufentscheidung für sie ist. Bei unter 35-jährigen haben Grüne Entscheidungen die größte Kraft — da gibt es also einen riesigen Markt, den man in der Unternehmensgründung miteinbeziehen sollte. Die Menschen wollen diese Art von gesellschaftlichen Wirtschaftsmodellen. Und wir als Unternehmer sind gefordert, hier Angebote zu liefern.

Zurückgeben an die Gesellschaft

Die Projekte, die mit goood unterstützt werden können, werden ganz sorgfältig ausgewählt. Unser wichtigstes Ziel ist es, einen Beitrag zu den UN Sustainable Development Goals zu leisten, die sicherstellen, dass unser Planet auch nach 2030 noch lebenswert ist. Alle Projekte müssen zu einem der 17 Sustainable Development Goals beitragen. Dazu haben wir ein Manifest mit unseren Werten publiziert, welche Projekte vertreten müssen. Außerdem schauen wir uns vorab jedes Projekt genau an, um zu prüfen, ob es auch wirklich seriös ist. Die Spendengelder müssen transparent und nachweisbar verwendet werden. Dazu bekommen wir zum Beispiel Impact-Feedback in Videoform von Partnerorganisationen, die jeweils vor Ort Projektbesuche machen.

Spenden stellt sich heute einem langwierigen Problem und es ist ein zähes Thema: Non Profit Organisationen werden von der älteren Bevölkerung getragen. Wir versuchen mit goood ein attraktives Tool für junge Leute auf die Beine zu stellen.

UN Sustainable Development Goals

UN Sustainable Development Goals

Die Großen müssen mitziehen

Beim Social Business geht es um Kollaboration, um die gemeinschaftliche Veränderung des Systems, nicht um Konkurrenz. Wir versuchen diese Art des Denkens auch in größere Unternehmen zu integrieren. Weil wir an die Kraft von kollaborativen Netzwerken glauben, haben wir selbst ein Beratungsnetzwerk gegründet: Hier finden sich Wissenschaftler, Unternehmer und AI Leute. Wir glauben, dass es ein unadressiertes Potential zwischen digitaler Transformation und Nachhaltigkeit gibt, das wir nutzen müssen. Es gibt viele Möglichkeiten, dieses Wissen zu verwenden — nicht nur für herkömmliche Gesellschaftsmodelle, sondern auch für neue.

Die Transition von Konzern auf Social Start-Up

Die Umstellung war eine ganz wichtige Erfahrung für mich, die für jeden relevant wäre: Wie wird Business in Zukunft gemacht? Ich habe erst ein Team mit mehreren hundert Leuten geleitet, jetzt muss ich alles umlernen und erkennen, dass viele Sachen mittlerweile automatisiert zur Verfügung stehen und man gar nicht mehr Experte sein muss. Wie organisiere ich mich und welche Skills brauche ich im Team? Gerade im Bereich Marketing tut sich ganz viel. Wenn man sich digitalen Herausforderungen nicht stellt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis man obsolet wird. Was wirklich auf einen zukommt, kann man oder frau nicht irgendwo lesen, das muss man selbst sehen. 

Es war also eine riesige Umstellung: Den Großteil von dem, was ich gelernt hatte, kann ich jetzt so nicht mehr verwenden. Was aber Gründer, die schon eine Karriere hinter sich haben, den jüngeren voraus haben: Wir tun uns leichter und unsere Erfahrung hilft uns, mit den Widrigkeiten des Gründerdaseins besser zurecht zu kommen. Im Detail gibt es viele Anpassungsherausforderungen, aber im Großen ist unser Background ein Benefit.

Claudia WInkler von goood mobile

Claudia WInkler von goood mobile

Der Wert von Erfolg

Erfolg bedeutet für mich in diesem Sinne auch, Impact zu haben. Einen Beitrag für die Gesellschaft leisten zu können. Und das, was ich im Tiefsten kann, einzubringen. Der monetäre Erfolg kommt dann automatisch, um den muss man sich nicht kümmern. Das war bei mir schon immer so: Es hat sich was aus Leidenschaft ergeben und aus dem Sinn von dem heraus, was ich tue. Wenn ein gewisser Flow erreicht ist, kommt der Rest von alleine.

Neuen Gründern auf den Weg

Wenn du selbst ein Start-Up gründest, ist das, was du am meisten brauchst, mit Unsicherheit umgehen zu können. Das betrifft uns immer mehr, weil die Welt sich so schnell verändert. Da braucht es Resilienz: Wie bereite ich mich darauf vor, mit allen Situationen umzugehen? Lernbereitschaft aufs Ver- und Neulernen, andere Perspektiven zu erkennen und zu greifen, Herausforderungen zu sehen und zu nutzen. Diesen Themen muss man sich annehmen. Es hilft, ein Optimist zu sein, um mit der Zukunft zu können. Außerdem gibt es viele Möglichkeiten da draußen, die Zukunft aktiv zu gestalten.

Also: Bau dir ein Netzwerk auf. Wir müssen mehr reden, aus unseren Bereichen heraus und in andere, fremde hinein, um Ideen zu bekommen. Um die ungewisse Zukunft zu meistern, müssen wir äußere Impulse nutzen, auf Augenhöhe zusammenarbeiten und offen sein für andere Gedanken.

Wenn du Fragen hast — ich gebe mein Wissen gerne weiter. Melde dich immer gerne bei mir.

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